ZIVILCOURAGE + ÖFFENTLICHKEIT
zwei unabdingbare Partner für eine solidarische Gesellschaft
„Um ein Kind zu erziehen braucht man ein Dorf“
(afrikanisches Sprichwort)
Die Aktion „Schau nicht weg“ steht beispielhaft für den Gedanken, dass jedes Gesellschaftsmitglied situationsbedingt und nach dessen Möglichkeiten Anteil daran haben kann, Kinder und Jugendliche vor Gefahren zu schützen und allen Mitmenschen in Notsituationen zu helfen.
Bürger*innen und Geschäftsleute erklären sich öffentlich dazu bereit, Hilfestellung zu leisten und zeigen ganz klar Flagge:
„Ich schaue nicht weg! –
Ich übernehme Verantwortung
und zeige mit meiner Hilfeleistung
Zivilcourage.“
Was wir tun können!
Vielen Kindern und Jugendlichen fällt es insbesondere in Ausnahmesituationen (z.B. unter Schock) schwer, sich sofort verständlich mitzuteilen.
Einige haben darüber hinaus Befürchtungen, dass Erwachsene ihnen nicht richtig zuhören und ihre Ängste oder Probleme nicht ernst nehmen.
- Nehmen Sie daher Hilfe suchende Kinder und Jugendliche unbedingt ernst.
- Hören Sie ihnen zu und versuchen Sie die Situation für sich klar zu gliedern und zu organisieren.
- Benachrichtigen Sie dann die notwendige Hilfe (z.B. Polizei 110, Feuerwehr 112).
– – – – – ernst nehmen – zuhören – Hilfe holen – – – – –
Was wir im Alltag gegen Gewalt tun können
Gewalt kann tagtäglich in vielerlei Formen und an unterschiedlichen Orten vorkommen. Viele Menschen reagieren verunsichert und schauen oder hören aus unterschiedlichen Gründen weg. Dadurch kann Gewaltbereitschaft und die Toleranz von Gewalt gefördert und verstärkt werden.
Im Umgang mit Gewalt liegen viele Erkenntnisse vor, die zeigen, wie Gewalttaten gestoppt werden können. Sie zeigen auch, wie wir handeln können, damit Gewalt erst gar nicht entsteht.
- Es ist immer richtig, den Notruf der Polizei (Tel. 110) zu verständigen und Straftaten bei der örtlichen Polizeidienststelle anzuzeigen.
- Richten Sie sich nach Ihren persönlichen Fähigkeiten und bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr. Jede Situation ist anders und abhängig von Täter*in, Opfer, anderen Beteiligten und natürlich von der Örtlichkeit.
- Die Verwendung von Waffen zur Abwehr, wie z.B. Messer, kann die Wut und die Gewalt der Angreifenden verstärken oder legitimieren. Außerdem können Sie sich nie sicher sein, dass Ihre Waffe nicht plötzlich gegen Sie selbst gerichtet wird.
- Als Alternative gibt es Signalgeräte, wie z.B. Trillerpfeifen oder kleine Alarmgeräte. Damit können Sie Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit herstellen und Täter*innen für eine erste Schrecksekunde stoppen. Täter*innen schrecken oft von ihrem Vorhaben zurück, wenn sie befürchten müssen, wiedererkannt zu werden.
In öffentlichen Verkehrsmitteln:
Wenn in öffentlichen Verkehrsmitteln jemand belästigt, angegriffen oder verletzt wird, sind die Mitfahrenden oft schockiert oder eingeschüchtert. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.
Folgendes können Sie jedoch tun:
- Sie können andere Mitfahrende auffordern, mit Ihnen gemeinsam laut auf die Situation aufmerksam zu machen. Es ist wichtig, möglichst viele Mitfahrende direkt anzusprechen und in die Verantwortung zu nehmen, umso stärker ist die Wirkung gegenüber den Angreifer*innen! In der Regel machen dann zunehmend mehr Menschen mit.
Dadurch wird die Situation für Täter*innen unüberschaubar und riskant. Höchstwahrscheinlich werden sie versuchen sich vom Ort des Geschehens zu entfernen. - Ebenfalls können Sie den*die Fahrer*in auffordern die Polizei zu rufen. Sie sind verpflichtet, dies zu tun.
- Wenn Sie keinen direkten Kontakt aufnehmen können, rufen Sie laut „Der Fahrer/die Fahrerin soll die Polizei informieren!“ Je nach Sachlage und Situation können Sie auch dazu auffordern, die Türen abzusperren, so dass sich die Täter*innen nicht entfernen können, bis die Polizei kommt.
In der Fußgängerzone:
- Lassen Sie sich in gewalttätigen Situationen nicht provozieren! Gewalt entsteht oft, weil ein Wort das andere gibt.
- Duzen Sie den*die Angreifer*in nicht. Andere Passanten könnten leicht einen rein privaten Konflikt vermuten.
- Übernehmen Sie die Regie, sprechen Sie andere Anwesende direkt und persönlich an: „Hallo, Sie da im grünen Mantel, bitte helfen Sie mir, rufen Sie sofort die Polizei!“
Reagiert die angesprochene Person darauf, ist meist der Knoten geplatzt und der so genannte Schneeballeffekt tritt ein. Jetzt können Sie auch andere Passant*innen aktivieren.
Bei Schlägereien:
- Wenn Kinder, Jugendliche oder Erwachsene sich schlagen, machen Sie auf sich und die Situation aufmerksam und stellen Sie aus sicherer Entfernung Öffentlichkeit her. Rufen Sie die Polizei oder bitten Sie jemanden Hilfe oder die Polizei zu holen.
- Täter*innen haben Angst, wiedererkannt und zur Rechenschaft gezogen zu werden. Also sprechen Sie sie direkt an, wenn Sie einen Namen gehört haben oder benennen Sie deutliche Wiedererkennungsmerkmale: „Sie mit der Stirnglatze, wir kennen Sie, – hören Sie auf … wir haben schon die Polizei angerufen …“
- Viele Kinder und Jugendliche behaupten, wenn sie zur Rede gestellt werden „alles wäre nur ein Spaß“ gewesen. Sie werden schnell nachdenklich, wenn Sie die vorausgegangene Gewalt beim Namen nennen können: „Ich kann die blutende Wunde, das blaue Auge, die zerrissene Hose usw. sehen, das ist kein Spaß! Ich nenne das Körperverletzung …“
Mit einer klaren Ansprache sind Sie in der Offensive und übernehmen in der Situation die Verantwortung.
Wichtig!
Eine Anzeige, polizeiliche Ermittlungen und Gerichtsverfahren bringen die Täter*innen in erhebliche Unannehmlichkeiten und zusätzliche Schwierigkeiten.
Gewalttäter*innen müssen wissen, dass sie für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Polizei ist rund um die Uhr da, am schnellsten über den Notruf 110.
Wenn Sie selber bedroht oder angegriffen werden:
Vorbereiten!
Bereiten Sie sich auf mögliche Bedrohungssituationen vor: Spielen Sie Situationen für sich allein und im Gespräch mit anderen durch.
Werden Sie sich grundsätzlich klar darüber, zu welchem persönlichen Risiko Sie bereit sind.
Es ist immer gut, die Polizei (Tel.: 110) zu alarmieren und Hilfe herbeizuholen.
Ruhig bleiben!
Bleiben Sie ruhig und machen Sie kontrollierte Bewegungen.
Wer ruhig bleibt, wirkt meist auch auf andere Beteiligte beruhigend!
Aktiv werden!
Bleiben Sie trotz Angst handlungsfähig.
Eine Kleinigkeit zu tun ist besser, als über große Heldentaten nachzudenken. Wenn Sie Zeuge*in von Gewalt sind, zeigen Sie, dass Sie bereit sind, gemäß Ihrer Möglichkeiten einzugreifen.
Ein einziger Schritt, ein kurzes Ansprechen, jede Aktion verändert die Situation und kann andere dazu anregen, ihrerseits einzugreifen.
Verlassen Sie die Ihnen zugewiesene Opferrolle!
Wenn Sie angegriffen werden, verhalten Sie sich selbstbewusst. Seien Sie sich über Ihre Prioritäten im Klaren und zeigen Sie deutlich, was Sie wollen. Ergreifen Sie die Initiative, um die Situation in Ihrem Sinne zu prägen.
Kontakt halten zum Angreifenden!
Stellen Sie Blickkontakt her und versuchen Sie eine Kommunikation herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten.
Reden und zuhören!
Teilen Sie das Offensichtliche mit, sprechen Sie ruhig, laut und deutlich. Hören Sie zu, was Ihr Gegenüber sagt.
Aus dem Mitgeteilten können Sie ihre nächsten Schritte ableiten.
Respektvoll bleiben!
Bleiben Sie höflich und respektvoll. Ermutigen Sie den*die Angreifer*in das Verhalten zu unterlassen.
Hilfe holen!
Sprechen Sie einzelne Personen einer Masse an. Dies gilt sowohl für Opfer als auch für Zuschauer*innen.
Sie sind eher bereit zu helfen, wenn jemand anderes den ersten Schritt macht oder sie persönlich angesprochen werden.
Körperkontakt vermeiden!
Halten Sie den nötigen Abstand zur angreifenden Person. Körperkontakt ist in der Regel eine Grenzüberschreitung, die zu weiterer Gewalt führen kann. Wenn nötig, nehmen Sie lieber direkten Kontakt zum Opfer auf.
Ich will helfen, habe aber Angst mich strafbar zu machen!
Wenn ich eine bedrohliche Situation erlebe, bewahre ich Ruhe, bleibe respektvoll und vermeide Körperkontakt.
Sollte ich dennoch einer Person die angegriffen wird, aktiv durch meine körperliche Verteidigungshandlung helfen müssen, handle ich grundsätzlich aus Notwehr/Nothilfe und mache mich im Sinne des StGB § 32 (Notwehr) nicht strafbar.
Zitat Notwehrparagraph:
Notwehr / Nothilfe gem. § 32 StGB /§ 227 BGB / § 15 OWiG:
(1) Wer (hier: Sie) eine Tat (hier: Verteidigungshandlung) begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht
rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Begriffserläuterungen:
Angriff: Aktives Tätigwerden der angreifenden Person.
Verteidigung: Abwehr eines rechtwidrigen Angriffs (auch fahrlässig auch durch Unterlassen) auf geschützte Rechtsgüter durch Abwehr oder Gegenangriff.
Angriff auf geschütztes Rechtsgut: Zum Beispiel Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum oder Besitz, Recht am eigenen Bild, Hausrecht, Intimsphäre.
Rechtswidrig/gesetzwidrig: Jeder Angriff, der gegen das geltende Recht verstößt.
Erforderlichkeit: Die Verteidigungsart, die im konkreten Fall nötig ist, um den Angriff zu beenden und dabei den geringsten Schaden anrichtet.
Gegenwärtig: Der Angriff steht unmittelbar bevor, hat begonnen oder dauert noch fort.
Hinweis: Wenn Sie Fragen oder Beratungsbedarf haben, bietet der Bezirksdienst der Polizei Solingen Unterstützung an.